Rechtsanwalt Dirk Meißner, Berlin
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht sowie Miet- und Wohnungseigentumsrecht

V. Architekten-/Ingenieurvertrag

Der Architekten-/Ingenieurvertrag findet sich erstmals im BGB. Bisher waren die von einem Architekten oder Ingenieur zu erbringenden Planungs- und Überwachungsleistungen ausschließlich im Vertrag geregelt, wobei die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure lediglich eine Auslegungshilfe darstellte. In der Definition von Pflichten des Architekten bzw. Ingenieurs in § 650p BGB wird nunmehr eine Zielfindungsphase eingeführt, in der die Planungs- und Überwachungsziele festgelegt werden sollen. Insbesondere Planungsziele wurden in der bisherigen Vertragspraxis meist nur bei juristischer Beratung des Bestellers definiert. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hatte in einer Vielzahl von Entscheidungen zur Haftung für Schadensfälle dem Architekten/Ingenieur die Verpflichtung auferlegt, in der ersten Leistungsphase der Grundlagenermittlung umfassend die vom Bauherrn gewünschten Anforderungen an die Planung und das zu errichtende Bauwerk unter konkreter Berücksichtigung der Umstände zu ermitteln. Neu eingeführt wird nun auch ein Sonderkündigungsrecht nach der Zielfindungsphase (§ 650r BGB). Die auf das Architekten-/Ingenieurvertragsrecht anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Werkvertragsrechts und des Bauvertrags werden in § 650q BGB festgelegt. Neu eingeführt wird eine Teilabnahme des Architekten-/Ingenieurwerks nach Abnahme der letzten Leistung der ausführenden Bauunternehmer (§ 650r BGB) und eine Regelung für die Fälle der gesamtschuldnerischen Haftung des Architek-ten/Ingenieurs mit ausführenden Bauunternehmern (§ 650s BGB).

1. Definition der Leistungspflichten des Architekten § 650p BGB
In § 650p BGB heißt es:
(1) Durch einen Architekten- oder Ingenieurvertrag wird der Unternehmer verpflichtet, die Leistungen zu erbringen, die nach dem jeweiligen Stand der Planung und Ausführung des Bauwerks oder der Außenanlage erforderlich sind, um die zwischen den Parteien vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen.
(2) Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.

Abs. 1 überführt die langjährige Rechtsprechung zur vorzeitigen Erbringung von Leistungen aus späteren Leistungsphasen durch den Architekten bzw. Ingenieur in das Gesetz. Es sollen die erforderlichen Leistungen zum richtigen Zeitpunkt erbracht werden. Auch bei einem Vollauftrag mit Leistungsphasen 1-9 soll nicht nur der Leistungserfolg, sondern auch die in der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure) definierten Teilschritte dorthin erbracht werden und zwar auch nicht vorzeitig, sondern wenn sie jeweils erforderlich sind. Nach der bisherigen Rechtsprechung waren die Teilschritte der HOAI dann geschuldet, wenn der Vertrag sie unter Bezugnahme auf § 34 HOAI mit einbezog. Waren Teilschritte nicht einbezogen oder nicht erbracht, führte dies zu einer Honorarminderung. Es bleibt abzuwarten, ob durch die neue gesetzliche Formulierung die Teilschritte der HOAI nun bei allen Architekten-/Ingenieurverträgen einbezogen sein werden.

In § 650p Abs. 2 BGB wird nun eine Zielfindungsphase eingeführt. In den Motiven heißt es dazu:
„Mit dieser Vorschrift soll Fällen Rechnung getragen werden, in denen sich der Besteller mit noch vagen Vorstellungen von dem zu planenden Bauvorhaben (…) an den Architekten oder Ingenieur wendet, und daher bei Vertragsschluss noch keine Einigung über alle wesentlichen Planungs- und Überwachungsziele vorliegt.“

Diese Zielfindungsphase geht also in der Regel nicht dem Vertragsschluss voraus, und ist daher in der Regel auch nicht unentgeltlich zu leisten. Als besonderen Missstand hat der Gesetzgeber dabei die ausufernde Praxis der von Bauherrn häufig geforderten unentgeltlichen Akquiseleistung in den Motiven genannt, die es einzudämmen gilt. Hier ist aber zu erwarten, dass in der Praxis die Zielfindungsphase von den meisten nicht öffentlichen Bauherrn im Rahmen der Akquise gefordert wird.

In welcher Form die „Kosteneinschätzung“ (Begriff aus § 650p BGB) zu erfolgen hat ist unklar. Die Vorschrift verwendet nicht die Diktion der HOAI. Abgesehen davon, dass zur Erstellung einer „Kostenschätzung“ (Begriff aus der HOAI in Leistungsphase 2 und DIN 276) weitergehende Leistungen der Leistungsphase 2 erforderlich sind, ist auch unklar, wie eine solche zu gestalten ist und welche Folgen damit verbunden sind, wenn sie Fehler aufweist. Hier wird abzuwarten sein, wie die Rechtsprechung zukünftig diese Regelung anwendet und den Begriff der Kosteneinschätzung auslegt.

Am Ende der Zielfindungsphase schuldet der Architekt/Ingenieur eine Planungsgrundlage (in den Motiven „erste Skizze“) und die Kostenermittlung. Die Planungsgrundlage kann insoweit nicht identisch mit einer der eigentlichen Planungszeichnungen aus den Leistungsphasen 2-5 sein. Auch hier ist bisher unklar, wie die Planungsgrundlage zu gestalten ist.

Festzuhalten ist aber, dass nach der Zielfindungsphase die Planungs- und Überwachungsziele feststehen müssen. Stehen sie nicht fest, ist der Vertrag unbestimmt. Ein Vertragsschluss über die Leistungsphase 1 hinaus dürfte dann wegen der Unbestimmtheit nicht möglich sein.

2. Sonderkündigungsrecht nach Ende der Zielfindungsphase § 650r BGB
Die Vorschrift soll den Besteller vor Rechtsfolgen eines übereilt abgeschlossenen, umfassenden Architektenvertrags über alle Leistungsphasen schützen. Mit der Übergabe der Planungsunterlage und der Kosteneinschätzung in Textform (Übermittlung damit auch per E-Mail wirksam möglich) besteht ein 2-wöchiges Sonderkündigungsrecht. Bei Verbrauchern ist zusätzlich in Textform auf das Sonderkündi-gungsrecht und die Rechtsfolgen hinzuweisen. Voraussetzung ist aber, dass bei Abschluss des zu Grunde liegenden Vertrags die Planungs- und Überwachungsziele noch nicht feststanden. Ebenfalls kann der Unternehmer (Architekt/Ingenieur) kündigen, wenn er dem Besteller erfolglos eine Frist (mindestens zwei Wochen) zur Zustimmung gesetzt hat. Die Kündigung bedarf für beide Vertragsparteien der Schriftform (§ 650h BGB). In der Folge ist der Besteller nur verpflichtet, die Vergütung für die bis zur Kündigung erbachten Leistungen zu zahlen. Das geschuldete Honorar für die Zielfindungsphase ist unklar. Werden Leistungen erbracht, die aus den Leistungsphasen 1 oder 2 der HOAI stammen, gilt die HOAI. Werden andere Leistungen erbracht (z.B. eine Bestandsaufnahme) so besteht Anspruch auf die übliche Vergütung, es sei denn, es ist etwas anderes vertraglich vereinbart (z.B. Zielfindung als Akquiseleistung). Es wird im Einzelfall auszulegen sein, was die Parteien hinsichtlich des Honorars gewollt haben.

3. Anwendbare Vorschriften § 650q BGB
Festzuhalten ist zunächst, dass die Vorschriften des Verbraucherbauvertrags nicht anwendbar sind, weil der Architekt/Ingenieur nicht eine schlüsselfertige Bauleitung schuldet, sondern lediglich die Planung. Die Regelungen des allgemeinen Werkvertragsrechts und des Bauvertragsrechts gelten fast vollständig, wobei die Spezialregelungen der HOAI zu berücksichtigen sind. Für die Vergütung gelten §§ 632 und 632a BGB nur, soweit nicht der Regelungsbereich der HOAI gegeben ist. Für Abschlagszahlungen findet sich dort die Sonderregelung des § 15 Abs. 2 HOAI. Nicht auf das Architekten- und Ingenieurvertragsrecht anwendbar ist die Regelung über die einstweilige Verfügung (§ 650d BGB). Sie ist im Katalog der anzuwendenden Vorschriften ausdrücklich ausgenommen. Die Kündigung des Architektenvertrags unterliegt ebenfalls der Schriftform (§ 650h BGB). Anwendbar sind auch die Regelungen über das Anordnungsrecht des Bestellers (§ 650b BGB). Die Vergütung im Falle der Anordnung richtet sich jedoch nach der HOAI.

4. Teilabnahme § 650s BGB
Bisher gab es keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Teilabnahme. Diese musste zwischen den Parteien vertraglich vereinbart sein. Ist der Architekt/Ingenieur mit allen Leistungsphasen beauftragt, hat er die Leistungsphase 9 zu erbringen, bevor er seine Schlussrechnung stellen kann und für ihn mit der Abnahme die Verjährungsfrist für die Mängelansprüche beginnt. Die Leistungsphase 9 beginnt nach der Beseitigung der bei Abnahme der Leistungen der Bauunternehmer festgestellten Mängel und läuft bis unmittelbar vor Verjährung der Mängelansprüche der Bauunternehmer (5 Jahre nach der Abnahme). Jetzt erst beginnt mit der Abnahme der Architekten-/ Ingenieursleistung die Verjährung seiner Mängelansprüche. Die Verjährung endet 5 Jahre nach seiner Abnahme, also erst 10 Jahre nach Abnahme der Leistungen der Bauunternehmer.

Mit der Neuregelung wird in § 650s BGB eine Möglichkeit der Teilabnahme nach der Abnahme der letzten Leistung des bauausführenden Unternehmers eingeführt. Bei Objekten mit mehreren Unternehmern dürfte es die Abnahme des letzten sein, die die Teilabnahmemöglichkeit eröffnet. Die Anknüpfung daran soll den Gleichlauf der Verjährungsfristen mit den ausführenden Firmen für einen Großteil der Architekten-/ Ingenieurleistungen bewirken. Allerdings sind wesentliche Leistungen der Leistungsphase 8, in die die Abnahme der ausführenden Firmen fällt, zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen, vielmehr sind noch eine Vielzahl von Arbeiten zu erbringen (gemeinsames Aufmaß, Rechnungsprüfung Kostenfeststellung, Übergabe des Objekts, Zusammenstellung der Objektunterlagen, Überwachung der Beseitigung der bei der Abnahme festgestellten Mängel). Auf diese Leistungen bezieht sich die Teilabnahme dann nicht.

5. Gesamtschuldnerische Haftung mit dem bauausführenden Unternehmer § 650t BGB
Kommen Ausführungsfehler des bauausführenden Unternehmers und Überwachungsfehler des Architekten/Ingenieurs zusammen, besteht hinsichtlich der Haftung ein Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Besteller. Dieser kann sich aussuchen, wen er in die Haftung nimmt. In der Vergangenheit war es überwiegend der Architekt/Ingenieur der vom Besteller zum Schadensersatz herangezogen wurde, da dieser für seine Überwachungsleistung versichert ist. Der Besteller erhält seinen Schadensersatz und lässt einen Drittunternehmer die Mängel beseitigen. Der bauausführende Unternehmer ist dagegen bei Mängeln seiner eigenen Werkleistung nicht versichert. Es handelt sich um einen sog. Bearbeitungsschaden. Häufig wäre es für den mit größerer Quote haftenden Unternehmer besser, er könnte selbst die vorhandenen Mängel beseitigen, denn eine Beseitigung durch einen Drittunternehmer verursacht in jedem Falle höhere Kosten. Wurde aber der Architekt/ Ingenieur in Anspruch genommen, war eine Beseitigung durch den ausführenden Unternehmer nicht mehr möglich. Der Architekt/Ingenieur erwirbt durch die Leistung des Schadensersatzes einen Ausgleichsanspruch gegen dem bauausführenden Unter-nehmer. Insoweit trägt der Architekt bzw. seine Versicherung das Insolvenzrisiko des Unternehmers. Insgesamt wurde diese Situation als ungerecht angesehen. Die Neuregelung ist auf einen besseren Ausgleich dieser Situation gerichtet. Die Inanspruchnahme des Architekten/Ingenieurs ist erst dann zulässig, wenn der Besteller dem Unternehmer zuvor erfolglos eine angemessene Frist zur Mängelbeseitigung gesetzt hat. Mehr als diese Fristsetzung ist jedoch nicht erforderlich, insbesondere bedarf es keiner gerichtlichen Schritte.

VI. Bauträgervertrag

Für den Bauträgervertrag, der bisher nicht im BGB geregelt war, ergeben sich durch die Reform keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen. In § 650u BGB findet sich eine Definition des Bauträgervertrags und die Verweisung auf die anwendbaren und nicht anwendbaren Vorschriften des allgemeinen Werk-, Bau- und Verbraucherbauvertrags. In § 650v BGB ist eine Regelung über Abschlagszahlungen getroffen, die sich von der bisherigen Rechtslage nicht unterscheidet.

1. Definition Bauträgervertrag § 650u Abs. 1 S.1 BGB
In § 650u Abs. 1 S.1 heißt es:

„Ein Bauträgervertrag ist ein Vertrag, der die Errichtung oder den Umbau eines Hauses oder eines vergleichbaren Bauwerks zum Gegenstand hat und zugleich die Verpflichtung des Unternehmers enthält, dem Besteller das Eigentum am Grundstück zu übertragen oder ein Erbbaurecht zu bestellen.“

Der Bauträger baut auf einem eigenen Grundstück und überträgt dann das Grundstück zusammen mit dem neu errichteten Gebäude an den Erwerber. In dieser Form werden überwiegend Eigentumswohnungen errichtet. Dabei finanziert der Bauträger die Bauleistung nicht vollständig vor, sondern nimmt bereits vor Fertigstellung Zahlungen des Erwerbers entgegen.

Bisher handelte es sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs um Verträge eigener Art mit Elementen des Kauf- und Werkvertragsrechts, auf die hinsichtlich der Bauleistung ausschließlich Werkvertragsrecht Anwendung fand. Dies bleibt auch weiterhin so und ist in § 650u Abs. 1 S. 2 auch ausdrücklich festgeschrieben. Die Regelungen des allgemeinen Werkvertragsrechts und die Regelungen des Bauvertrags (Untertitel 1) einschließlich des Verbraucherbauvertrags sind auf den Bauträgervertrag anwendbar. Nach dem bisherigen Recht waren ausschließlich Pflichten des Bauträgers in der Makler- und Bauträger Verordnung (MaBV) geregelt. Der Systematik nach handelt es sich dabei um öffentlich-rechtliche Regelungen des Gewerberechts. Dem Unternehmer (Bauträger) ist es verboten, von den Bestellern Zahlungen anzunehmen, wenn die Zahlungen nicht durch eine Bürgschaft des Unternehmers abgesichert sind oder eine Absicherung im Grundbuch noch nicht durch eine Vormerkung erfolgt und/oder bestimmte Bautenstände nicht erreicht sind. In § 3 Abs. 2 MaBV war ein verbindlicher Zahlungsplan für Abschlagszahlungen geregelt. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften hat Unwirksamkeit der entsprechenden vertraglichen Regelungen zur Folge. Die Neuregelung ergänzt dieses System jetzt auf Seiten des Vertragsrechts.

Nach § 650u Abs. 2 BGB sind ein Teil der Vorschriften des allgemeinen Werkvertrags- und Bauvertragsrechts nicht anzuwenden. Die freie Kündigung (§ 648 BGB) des Bestellers ist wie bisher ausgeschlossen, ebenfalls das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund (§ 648a BGB). Im Falle einer Insolvenz des Unternehmers kann der Besteller also nur nach allgemeinen Vorschriften zurücktreten. Damit entfällt aber auch die Grundlage für eine Sicherung des Erwerbers im Grundbuch durch eine Eigentumsverschaffungsvormerkung. Weiterhin sind das Anordnungsrecht und seine Vergütungsfolgen (§§ 650b und c BGB), die einstweilige Verfügung (§ 650d BGB) und die Bauhandwerkersicherungshypothek (§ 650e BGB) ausgeschlossen. Nicht anwendbar ist auch die Vorschrift 650k Abs. 1 BGB, nach der der Inhalt der Baubeschreibung Vertragsinhalt wird. Auch das Widerrufsrecht des Verbrauchers nach § 650l BGB ist nicht anwendbar. Die Abschlagszahlungen des Verbraucherbauvertrags werden durch § 650v BGB modifiziert.

2. Abschlagszahlungen § 650v BGB
In Art. 244 EGBGB wird die Regierung zum Erlass einer Verordnung ermächtigt, die Abschlagszahlungen im Hausbau abweichend von § 632a BGB ermächtigt. Diese Verordnung übernimmt den Inhalt des für das Gewerberecht geltenden § 3 Abs. 2 MaBV, der es dem Bauträger verbietet, andere Raten als die dort bezeichneten entgegenzunehmen, nunmehr auch ins Bauvertragsrecht. Eine abweichende Ra-tenzahlung darf nunmehr auch nicht vereinbart werden. Inhaltlich ändert sich durch diese Regelung nichts an der bisherigen Praxis der Abschlagszahlungen.